Sichtbarmachen und Aufklären: Partnerschaftsgewalt und Täterarbeit im Fokus
01. Apr 2025
Fachtreffen des Arbeitskreises der Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Paderborn bringt Fachleute zusammen

(v. l.) Christa Mertens, stellv. Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Paderborn, Jochen Hunold-Berle, Referent von KIM Rat & Tat e.V., Vera Remmert, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Paderborn, Verena Haese, stellv. Landrätin des Kreises Paderborn, Helge Rettig und Daniel Hohenstein, Referenten von man-o-Mann aus Bielefeld, Sabine Kramm, stellv. Bürgermeisterin der Stadt Paderborn, Miriam Arens, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Salzkotten und Dagmar Drüke, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Paderborn.
Laut Bundeskriminalamt wurden im Jahr 2023 256.276 Menschen in Deutschland Opfer häuslicher Gewalt. 70 Prozent von ihnen sind weiblich. Oftmals unbemerkt, in scheinbar intakten Partnerschaften und Familien, hinter verschlossener Tür geschieht häusliche Gewalt
Sichtbarmachen und Aufklären ist erster Ansatzpunkt bei der Bekämpfung von Gewalt und eins der bedeutenden Ziele des Arbeitskreises der Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen im Kreis Paderborn. Denn: „Hinschauen und Eingreifen ist die Pflicht eines jeden einzelnen von uns“, erklären die Verantwortlichen.
Grundlage dieser Arbeit ist die Istanbul-Konvention. Als völkerrechtlich bindendes Übereinkommen verpflichtet sie die Vertragsstaaten und somit auch Deutschland dazu, die Rechte von Frauen zu stärken, Diskriminierung zu verhindern und Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu bekämpfen.
Im Rahmen eines Fachtreffens rückten die Organisatorinnen jetzt das Thema „Partnerschaftsgewalt“ und die Täter selbst in den Fokus.
Helge Rettig und Daniel Hohenstein von der Männerberatungsstelle „man-o-mann“ aus Bielefeld beschäftigen sich im Alltag mit den unterschiedlichen Tätertypen und ihren Strategien:
36 Prozent der Täter sind ausschließlich innerhalb der eigenen Familie gewalttätig. Sie sind frei von psychischen Störungen, oft erfolgreich, reagieren im Affekt und lehnen Gewalt ab - grundsätzlich.
Anders verhält sich der Dysphoric Typ (15 Prozent), der auch über die Familie hinaus gewalttätig ist, häufig mit Depressionen und Persönlichkeitsstörungen kämpft und eine niedrige Frustrationstoleranz hat. Beide Typen reagieren situativ.
Bewusst gewalttätiges Verhalten, das nicht selten in der Persönlichkeitsstruktur verankert ist, zeigen der Low Level Antisocial Typ (33 Prozent) und der Generally Violent Typ (16 Prozent). Beide können ihr Verhalten kontrollieren bzw. bewusst beeinflussen und tun ihrem Gegenüber teils schwerste Gewalt an. Gründe, warum dies „geschieht“ finden fast alle. Ihre Strategie ist oftmals, die Gewalt zu rechtfertigen, zu verharmlosen oder das Opfer zum Täter zu machen.
In der praktischen Arbeit sei deshalb unverzichtbar, jegliche Gefühle eines Gegenübers ernst zu nehmen und selbst Verständnis für Krisenauslöser aufzubringen. „Verstehen heißt nicht akzeptieren oder rechtfertigen“, so die Fachmänner. „Es gilt die beraterisch-therapeutische Grundhaltung ´Täter achten, Taten ächten'“, erklären die Referenten.
Auch Jochen Hunold-Berle von der Beratungsstelle „KIM – Rat und Tat“ sensibilisierte für das Thema. Der Fachmann beleuchtete die Bedeutung von Kooperationsnetzwerken. „Von Gewalt betroffenen Menschen kann schneller und effektiver geholfen werden, wenn die vor Ort bestehenden Hilfsangebote gut miteinander vernetzt sind“, so Hunold-Berle. Das sind zuvorderst Polizei, Justiz, Jugendämter und Opferhilfeeinrichtungen. Aber auch viele andere soziale Institutionen wie Familienberatungsstellen, Einrichtungen des Gesundheitswesens oder niedergelassene Psychotherapeuten sitzen mit am Tisch. Nur durch dieses Zusammenspiel könne es den Tätern gelingen, aus dem - von Macht und Kontrolle angetriebenen - Rad der Gewalt, auszusteigen.
Eine abschließenden Podiumsdiskussion bot den rund 90 Anwesenden den Raum, sowohl mit den Referenten als auch mit Vertretenden von Polizei, Jugendamt und der Beratungsstelle Belladonna über nachhaltige Wege aus der Gewalt ins Gespräch zu kommen. Einig sind sich alle darin, dass nur gemeinsam ein umfassendes Verständnis der Problematik und effektive Lösungen möglich sind.